Spitzenleistungen durch Datenkraft
Diese Studie wurde im Rahmen des Förderprogramms Challenge von be-advanced (Kanton Bern) erarbeitet und dient zugleich als White Paper der SwissDataApps Technologie GmbH, in dem wir unseren Kunden und Stakeholdern die von uns verfolgten Lösungen und Ansätze präsentieren.
Eine Studie zum Einsatz von Data Science und KI bei Schweizer Energieversorgern
Die von SwissDataApps durchgeführte Studie, unterstützt von be-advanced, untersuchte die Nutzung moderner Datenverarbeitungstechnologien in Schweizer KMUs, mit Schwerpunkt auf Energieversorgern. Sie basiert auf der Hypothese, dass KMUs wegen begrenzter Ressourcen Schwierigkeiten haben, diese Technologien effektiv zu nutzen und hat zum Ziel, konkrete Problemstellungen und Lösungsvorschläge anzuleiten. Die Studie analysierte die Branchen Maschinenbau, Energieversorgung, E-Commerce und Versicherungen anhand von 40 Interviews sowie Expertenmeinungen und Fachliteratur. Die Studie ist als Diskussionsgrundlage zu sehen und erhebt keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Technologische und ökonomische Trends: Schweizer KMUs sehen sich mit einer zunehmend komplexeren Situation konfrontiert. Herausforderungen wie Fachkräftemangel, steigender Wettbewerbsdruck, Notwendigkeit zur Digitalisierung und geopolitische Trends wirken sich auf ihr Geschäft aus. Neue Technologien wie KI und Data Science können dabei unterstützen, erfordern jedoch Ressourcen, die KMUs oft fehlen. Gemeinsamkeiten zwischen Branchen: Unternehmen priorisieren Datenverarbeitung oft erst, wenn sie unter Druck geraten, beispielsweise aufgrund steigender Kosten oder Wettbewerbsdruck. Während betriebswirtschaftliche Generalisten in der Führungsebene Daten und KI als strategische Werkzeuge für langfristige administrative Lösungen sehen, konzentrieren sich Fachspezialisten auf die Lösung spezifischer operativer Probleme. Erfolgreiche Datennutzung hängt oft von wenigen Schlüsselpersonen mit unerwarteten Qualifikationen ab, was die Frage aufwirft, ob solche Talente systematisch entwickelt werden können. Es gibt keinen einheitlichen Ansatz in der Branche, um diese datenorientierten Fähigkeiten gezielt zu fördern. Branchenspezifische Unterschiede: In Maschinenbau und Industrie werden Daten primär zur Effizienzsteigerung in administrativen Prozessen genutzt. Der Digitalisierungsgrad ist heterogen, und der Zeitdruck zur Implementierung neuer Technologien ist eher gering. Bei Energieversorgern ist das Thema stark regulatorisch getrieben, insbesondere durch die Energiestrategie 2050. Daten haben das Potential, wichtige Problemstellungen zu lösen. Im E-Commerce werden Daten als zentral für Geschäftsprozesse und Marketing gesehen, wobei viele Plattformabhängigkeiten bestehen. Fokus auf Energieversorger: Die Energieversorger in der Schweiz stehen vor erheblichen Herausforderungen aufgrund der Dezentralisierung der Energieerzeugung, der Notwendigkeit präziserer Vorhersagen und betriebswirtschaftlichen Veränderungen. Die Branche zeigt ein starkes Interesse an Daten und KI und erfüllt eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Aus diesem Grund fokussiert sich alles Weitere auf diese Branche. Herausforderungen der Energieversorger: Folgende wesentlichen Herausforderungen wurden ermittelt:
Dezentralisierung der Energieerzeugung und Netzstabilität: Die Integration von dezentralen Energiequellen wie Photovoltaikanlagen bringt Volatilität und Belastungen für die Netzstabilität mit sich, die umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur erfordern.
Unsicherheiten im Energieeinkauf und Prognosefähigkeit: Konventionelle Prognosemethoden stoßen an ihre Grenzen, was zu finanziellen Risiken im Energieeinkauf führt.
Betriebswirtschaftliche Herausforderungen: Der Rückgang traditioneller Einnahmequellen wie dem Gasverkauf erfordert eine Transformation hin zu modernen Dienstleistern und die Einführung neuer Geschäftsmodelle.
Lösungsansätze für Energieversorger: Die Studie schlägt folgende Lösungsansätze vor, um die identifizierten Herausforderungen zu bewältigen:
Gemeinsame Datenbank für Kontextdaten: Aufbau einer zentralen Datenbank, die verschiedene relevante Kontextdaten wie Wetterdaten integriert, um die Smart-Meter Daten besser nutzen zu können.
Langfristiges Prognosemodell für den Terminmarkteinkauf: Entwicklung von Prognosemodellen, die PV-Anlagen, Dachflächen, Baugesuche, klimatische Trends und andere relevante Variablen berücksichtigen, um den Energieeinkauf zu optimieren.
Kurzfristiges Prognosemodell für den Spotmarkteinkauf: Entwicklung von fortschrittlichen Machine-Learning-Modellen, um den Energiebedarf, abgestimmt auf die Eigenproduktion, kurzfristig vorherzusagen.
Personalisierbares Energie-Dashboard: Implementierung eines personalisierten Dashboards, das Mitarbeitern der Energieversorger eine effiziente Interaktion mit Daten, sowie dessen Extraktion ermöglicht.
Personalisiertes KI-Sprachmodell für Administration: Einsatz von KI-basierten Chatbots zur Automatisierung standardisierter Kundenanfragen und zur Verbesserung des internen Wissensmanagements.
Intelligente Ist-Soll Analyse für Netzplanung: Entwicklung eines fortschrittlichen Abgleichmodelles von Smart-Meter Daten mit Netzsimulationen, um Planung zu verbessern.
Empfehlungen: Data Science und KI hat ein großes Potential in der Energiebrache. Die vorliegenden Probleme sind allerdings komplex und fachübergreifend. Es wird daher empfohlen, gemeinsam spezifische Lösungen zu entwickeln (Co-Development-Ansatz). Eine Möglichkeit wäre eine Interessensgemeinschaft zwischen mehreren EVU, einer Fachhochschule und SwissDataApps.
1. Einleitung
1.1 Hintergrund und Ziele der Studie
Anlass der Studie
Be-advanced ist die Wirtschaftsförderungsagentur des Kantons Bern, die sich stark dafür einsetzt, die Innovationsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Start-ups zu verbessern. SwissDataApps, spezialisiert auf Data Science und KI für KMU, wird von be-advanced unterstützt. Die vorliegende Studie wurde von SwissDataApps im Rahmen des Förderprogramms „Challenge” durchgeführt. Hypothese der Studie Die moderne Datenverarbeitung umfasst eine Reihe fortschrittlicher Technologien wie Datenmanagement, Datenanalytik, Data Science, Machine Learning und Künstliche Intelligenz. Diese Technologien bieten Unternehmen erhebliche Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz und zur Entwicklung innovativer Problemlösungsansätze und werden bereits umfassend von Großunternehmen genutzt. Die Ausgangshypothese dieser Studie ist, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) derzeit nur begrenzt von diesen modernen Datenverarbeitungstechnologien profitieren. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass es diesen Unternehmen aufgrund ihrer begrenzten Größe schwerfällt, die erforderlichen Fachkenntnisse und qualifizierten Mitarbeiter zu rekrutieren. Dies könnte langfristig die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen beeinträchtigen. Ziele der Studie Das Ziel der Studie ist es, die aktuellen Gegebenheiten und die zugrunde liegenden Mechanismen in spezifischen Zielbranchen zu analysieren und besser zu verstehen. Diese Zielbranchen umfassen:
Maschinenbau und Fertigung
Energieversorger
E-Commerce
Versicherungen und Makler
Das Ergebnis der Studie wird als erstes diese Zielbranchen miteinander vergleichen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu eruieren. Für eine auszuwählende Branche wird dann eine detaillierte Analyse der „Pain Points” in Bezug auf Datenverarbeitung erstellt. Daraus leiten sich dann eine Reihe von Handlungsempfehlungen für zukünftige kommerzielle Angebote ab, auf Basis dessen SwissDataApps dann ihre Dienstleistungen weiterentwickeln und gezielt ausrichten wird.
1.2 Methodik
Interviews mit Unternehmen
Branche | Anfragen | Interviews | Antwort |
---|---|---|---|
Maschinenbau und Fertigung | 35 | 7 | 20 % |
Energieversorger | 33 | 14 | 42 % |
Versicherer | 30 | 2 | 7 % |
eCommerce | 35 | 12 | 34 % |
Die Studie wurde als qualitative Untersuchung mit halbstrukturierten Interviews konzipiert. Die Teilnehmer waren Schlüsselentscheider und Experten aus den vier Zielsegmenten. Die Interviews wurden entweder per Videokonferenz oder in persönlichen Meetings durchgeführt. Je nach Situation und Zustimmung der Unternehmen wurden die Gespräche entweder aufgezeichnet und transkribiert oder es wurden während des Gesprächs Notizen gemacht. In Ausnahmefällen wurden Fragen schriftlich beantwortet. Die Interviewstruktur kombinierte offene und gezielte Fragen, um spezifische Probleme zu erkunden und gleichzeitig Raum für ausführliche Antworten zu lassen. Jedes Interview dauerte etwa 30 bis 45 Minuten und wurde in der bevorzugten Sprache des Teilnehmers (Deutsch, Französisch oder Englisch) geführt. Das Hauptziel der Interviews war es, ein tiefgreifendes Verständnis für die Situation der Teilnehmenden in Bezug auf Datenverarbeitung zu erhalten. Die nebenstehende Tabelle zeigt die Anzahl Anfragen und Interviews pro Branche.
Der Schutz der Privatsphäre und die Vertraulichkeit der gesammelten Daten hatten höchste Priorität. Daher werden außer der Branchenzugehörigkeit keine konkreten Angaben zu den Unternehmen gemacht. Leider muss an dieser Stelle eingestanden werden, dass die Branche der Versicherer eine zu tiefe Anzahl Interviews aufweist, um eine fundierte Weiterverarbeitung und Analyse machen zu können. Diese Branche kann leider nicht weiter berücksichtigt werden.
Expertenmeinungen
Zusätzlich zu den Interviews mit Unternehmen wurden Gespräche mit insgesamt fünf Experten aus den verschiedenen Branchen geführt. Diese Experten stammen überwiegend aus dem akademischen Umfeld oder aus großen Zulieferindustrien der jeweiligen Branchen. Ihre Meinungen wurden separat behandelt und flossen ergänzend in die Analyse mit ein.
Theoretisches Wissen & Literatur
Komplementär zu den Interviews wurde Wissen aus der relevanten Fachliteratur hinzugezogen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Literaturrecherche keinen Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit erhebt. Analyse und Weiterverarbeitung Nach der Durchführung der Interviews wurden die Transkripte und Notizen analysiert, um gemeinsame Themen und Muster zu identifizieren und branchenspezifische Problemstellungen herauszuarbeiten. Für bestimmte Schlüsselbranchen und -probleme wurden zudem Lösungsansätze entwickelt. Die Ergebnisse der Studie werden im vorliegenden Bericht zusammengefasst und den Teilnehmern sowie der Wirtschaftsförderungsagentur be-advanced des Kantons Bern zur Verfügung gestellt. Die Studie ist allerdings nicht öffentlich zugänglich.
1.3 Limitationen der Studie
Die vorliegende Studie weist mehrere Limitationen auf, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden sollten:
Explorative Studie
Diese Studie ist explorativ angelegt und liefert keine empirisch gesicherten Erkenntnisse. Die gewonnenen Einsichten sollen primär als Ausgangspunkt für weiterführende Untersuchungen dienen.
Limitierte Anzahl an Interviews
Es wurden insgesamt 40 Interviews durchgeführt. Diese Anzahl ist begrenzt und reicht nicht aus, um umfassende und repräsentative Aussagen für die gesamte KMU-Landschaft der Schweiz zu treffen.
Ungleichverteilung zwischen Branchen
Die Verteilung der Interviews über die verschiedenen Branchen ist ungleichmäßig. Einige Branchen sind stärker repräsentiert als andere, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse weiter einschränkt.
Selection Bias
Es besteht ein starker Selection Bias, da die Teilnahme an der Studie mit einem gewissen Aufwand verbunden war. Es ist wahrscheinlich, dass vor allem Personen teilgenommen haben, die ein besonderes Interesse am Thema Datenverarbeitung haben. Daher haben die Erkenntnisse keinen repräsentativen Charakter.
Anpassung der Interviewfragen
Aus praktischen Gründen oder aufgrund neuer Erkenntnisse wurden die Interviewfragen teilweise angepasst. Dies kann die Vergleichbarkeit der Antworten beeinträchtigen und die Konsistenz der Daten beeinflussen.
Fokus auf kleinere KMUs
Die Studie konzentriert sich hauptsächlich auf kleinere KMUs mit etwa 10-100 Mitarbeitern. Dies schränkt die Anwendbarkeit der Ergebnisse auf größere KMUs ein.
Selbstauskunft und subjektive Wahrnehmung
Die Ergebnisse basieren auf den Selbstauskünften der Teilnehmer, die subjektiv und von individuellen Erfahrungen geprägt sein können. Dies kann zu Verzerrungen in den Ergebnissen führen.
Fehlende quantitative Daten
Die Studie basiert ausschließlich auf qualitativen Daten, was die Möglichkeit einschränkt, die Ergebnisse durch quantitative Analysen zu untermauern.
Kommerzielles Setting
SwissDataApps ist eine kommerzielle Firma und ein Teil der Interviewteilnehmer könnte ein kommerzielles Interesse an Dienstleistungen von SwissDataApps haben. Trotz gegenteiliger Bemühungen kann diese mögliche gegenseitige Interessenlage den Interviewverlauf beeinflussen (z.B. strategisches Antwortverhalten oder kommerzielle Fragestellungen).
2. Generelle Resultate
2.1 Technologische und ökonomische Trends
Die aktuelle Lage im Jahr 2024 ist geprägt von einer Vielzahl an tiefgreifenden Veränderungen und bedeutenden Trends, welche die Geschäftswelt nachhaltig beeinflussen. Diese Entwicklungen betreffen Unternehmen aller Branchen, doch insbesondere für das vorliegende Thema sind die folgenden Trends von direkter oder indirekter Relevanz.
Fachkräftemangel
Der Mangel an qualifizierten Fachkräften, insbesondere in den Bereichen IT, Data Science und Ingenieurwesen, stellt für viele Unternehmen eine erhebliche Herausforderung dar. In der Schweiz, wie auch global, hat dieser Trend dazu geführt, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, die nötigen Talente zu rekrutieren, was die Umsetzung von Digitalisierungs- und KI-Projekten verlangsamt.
Wettbewerbsdruck auf Schweizer KMU
Schweizer KMU stehen unter einem wachsenden Wettbewerbsdruck, sowohl durch internationale Konkurrenz als auch aufgrund steigender Kosten. Dieser Druck wird durch die steigenden Energiepreise, die Auswirkungen der Inflation und die Notwendigkeit, in neue Technologien zu investieren, weiter verschärft. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen KMU effizienter werden und Kosten senken.
Fortschreitende Digitalisierung
Die fortschreitende Digitalisierung fordert Unternehmen auf, ihre Geschäftsprozesse, Kundeninteraktionen und Datenverwaltung umfassend zu modernisieren. Dies erfordert erhebliche Investitionen in IT-Systeme und Lösungen, darunter die Implementierung von Cloud-Technologien, die Vereinheitlichung von Datensystemen und die Nutzung von Big Data, um datengetriebene Entscheidungen zu treffen. Unternehmen stehen dabei vor der strategischen Entscheidung, ob sie diese Technologien und Kompetenzen intern durch den Aufbau eigener Teams und Inhouse-Lösungen entwickeln oder auf externe Dienstleister und Lösungen zurückgreifen sollen.
Neue Technologien
Die rasante Entwicklung von Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI), Machine Learning (ML) und insbesondere von großen Sprachmodellen (LLM) verändert die Geschäftswelt grundlegend. Diese Technologien ermöglichen es Unternehmen, Prozesse zu automatisieren, Daten effizienter zu analysieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Auf der anderen Seite bergen sie für KMU auch Risiken. Das vorherrschende Geschäftsmodell großer amerikanischer Technologiefirmen, das auf sogenannten “Winner-takes-it-all”-Prinzipien basiert, könnte zunehmend Kundensegmente kleinerer Schweizer Unternehmen absorbieren und somit eine Bedrohung darstellen. Diese Technologien erfordern oft einen massiven Ressourceneinsatz, der für KMU schwer erreichbar ist.
Geopolitische Verwerfungen
Geopolitische Entwicklungen wie Handelskriege, der Krieg in der Ukraine, die COVID-19-Pandemie und die daraus resultierenden Störungen in globalen Lieferketten haben erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Diese Ereignisse haben nicht nur zu höheren Energiepreisen und Inflation geführt, sondern auch zu einer verstärkten Unsicherheit, die Unternehmen dazu zwingt, flexibler und resilienter zu werden. Unternehmen müssen sich auf volatilere Märkte einstellen.
Nachhaltigkeit und Energiewende
Ein weiterer bedeutender Trend ist die globale Bewegung hin zu mehr Nachhaltigkeit und der Energiewende. Insbesondere die in der Schweiz beschlossene Energiestrategie 2050 hat direkte Auswirkungen auf mehrere Branchen. Die geopolitische Lage verstärkt diesen Trend, indem sie auch einen wirtschaftlichen Druck auf den Energiesektor erzeugt.
Cybersicherheit und Bedrohungen
Die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung von Unternehmen hat die Bedeutung von Cybersicherheit massiv erhöht. Cyberangriffe nehmen weltweit zu, und auch kleinere Unternehmen bleiben davon nicht verschont. Diese Angriffe können erhebliche finanzielle Schäden verursachen und im schlimmsten Fall sogar existenzbedrohend sein.
2.2 Gemeinsamkeiten zwischen den Branchen
Trotz der unterschiedlichen Branchenschwerpunkte lassen sich übergreifende Gemeinsamkeiten im Umgang mit Datenverarbeitung feststellen.
Daten als Problemlöser
Ein zentrales Muster ist, dass Daten oft erst dann zur Priorität werden, wenn Unternehmen unter Druck geraten. Solange die Geschäfte gut laufen, neigen Unternehmen dazu, Investitionen in Datenlösungen zu verschieben. Doch sobald Herausforderungen wie gestiegene Kosten, Regulationen, Effizienzprobleme oder verstärkter Konkurrenzdruck spürbar werden, rücken Daten als Lösungsansatz in den Vordergrund. Manager wissen, dass Daten und KI ihnen helfen können, oft jedoch ohne eine klare Vorstellung davon, wie dies konkret umzusetzen ist. So gesehen kann der Ruf nach Data Science und KI gewissermaßen als das “Houston, wir haben ein Problem” der Unternehmen verstanden werden. Es ist nun Aufgabe der Dienstleister wie SwissDataApps, diese Probleme genau zu definieren und Lösungswege aufzuzeigen.
Visionäre und Fachspezialisten
Selbst unter den Geschäftsleitungsmitgliedern der interviewten Firmen zeigen sich unterschiedliche Profile. Einerseits gibt es betriebswirtschaftlich orientierte Generalisten, die sich durch die Entwicklung kluger und visionärer Strategien auszeichnen. Andererseits stehen Manager, die über einen langjährigen Hintergrund als Fachspezialisten verfügen und als Koryphäen der Branche gelten. Es fällt auf, dass die Generalisten Daten und KI eher als strategische Werkzeuge im administrativen Bereich des Unternehmens betrachten. Gefragt nach ihrer Wunschlösung, skizzieren sie oft langfristige Visionen von großen, umfassenden Systemen. Beispiele hierfür sind KI-getriebene BI-Lösungen, komplett automatisierte Verwaltungsprozesse oder die nahtlose Integration aller Datenquellen. Die Fachspezialisten hingegen konzentrieren sich in der Regel auf Lösungen für relativ konkrete Problemstellungen innerhalb des Kerngeschäfts. Ihr Wunsch ist oft die definitive Lösung eines spezifischen Problems durch die sogenannte Narrow KI. Beispiele hierfür sind automatisierte, unternehmensspezifische Marktanalyse-Systeme oder der intelligente Ist-Soll-Abgleich in der Zielnetzplanung bei Energieversorgungsunternehmen. Diese Erkenntnis ist nicht überraschend. Sie verdeutlicht jedoch, dass den Managern das Thema Datenverarbeitung einerseits wichtig ist und sie andererseits auch ein klares Verständnis darüber haben möchten, wie diese Technologien konkret funktionieren.
Schlüssenpersonen durch Zufall
Einige Unternehmen, die erfolgreich in der Nutzung von Daten sind, verdanken dies oft einigen wenigen Schlüsselmitarbeitern, die neben ihren Kernaufgaben auch ein starkes Interesse und Kompetenzen im Bereich Datenverarbeitung mitbringen. Bemerkenswert ist, dass diese datenorientierten Fähigkeiten oft gar nicht im ursprünglichen Anforderungsprofil der jeweiligen Position vorgesehen waren. Ein Beispiel hierfür ist der Bereichsleiter Energiewirtschaft eines kleineren EVU, der aufgrund seiner früheren umfassenden Erfahrungen in der Softwareentwicklung und Datenanalytik erheblich zur datengetriebenen Entscheidungsfindung beigetragen hat. Obwohl solche Entwicklungen sehr effizient und erfreulich sind, stellt sich die Frage, ob alle EVU in der Schweiz in der Lage sein werden, solch fachübergreifende Kompetenzen in einer einzigen Person zu bündeln. Es scheint in der Branche keinen standardisierten Prozess zu geben, um solche Schlüsselkompetenzen gezielt zu entwickeln.
Implementierung und Personal
Jüngere Mitarbeiter betrachten digitale Prozesse oft als selbstverständlich und erwarten diese in ihrem Arbeitsumfeld. Hingegen können schnelle Veränderungen in etablierten Geschäftsabläufen bei älteren Mitarbeitern auf Widerstand stoßen. Insbesondere Künstliche Intelligenz hat den Ruf, Arbeitsplätze zu ersetzen, was Unsicherheiten schüren kann. Unternehmen sollten daher der Einführung und Implementierung digitaler Tools besondere Aufmerksamkeit schenken und sicherstellen, dass alle Mitarbeiter eingebunden und unterstützt werden, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.
2.3 Unterschiede zwischen den Branchen
Die verschiedenen Branchen haben teilweise unterschiedliche Motivationen, Sichtweisen und Prioritäten in Bezug auf Datenverarbeitung. Auch die Definition und Wahrnehmung des Begriffs “Daten” variiert erheblich zwischen den Branchen und hängen maßgeblich von ihrem jeweiligen Umfeld und den Geschäftsmodellen ab.
Maschinenbau und Fertigung
In dieser Branche wird der Begriff “Daten” häufig mit Dateiablagen, ERP-Daten und der Verwaltung von Produktionsdokumentationen assoziiert. Unternehmen nutzen Daten vorwiegend zur Nachverfolgung von Produktionsprozessen, zur Lagerverwaltung und zur Qualitätssicherung. Ein Interviewteilnehmer aus einem führenden Maschinenbauunternehmen erwähnte, dass sie Daten überwiegend in Form von Excel-Tabellen und ERP-Systemen verwalten, wobei es sich oft um strukturierte Daten wie Produktionszeiten, Maschinenlaufzeiten und Materialkosten handelt. Maschinenbauer und Industrieunternehmen stehen in einem starken internationalen Wettbewerb. Entsprechend werden Daten und KI primär als Werkzeuge zur Steigerung ihrer Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit, überwiegend in administrativen Prozessen, betrachtet. Es besteht eine erhebliche Heterogenität zwischen den Unternehmen: Einige haben bereits fortgeschrittene digitale Strategien implementiert, während andere noch am Anfang stehen. Der Zeitdruck, digitale Lösungen einzuführen, ist jedoch relativ gering, was den Unternehmen mehr Spielraum gibt, ihre Digitalisierungsstrategien schrittweise zu entwickeln und zu verfeinern. Interessant ist auch, dass Aktionen wie etwa die Einführung von KI-Tools vor allem in den Begleitprozessen, d.h. außerhalb der Produktionshallen, gesehen werden. Dies liegt möglicherweise daran, dass die Implementierung einer digitalen „Smart Factory” ein sehr großes Investitionsprojekt darstellt.
Energieversorger
Für Energieversorger sind vor allem Smart Meter Daten und Netzbetriebsdaten von zentraler Bedeutung, da sie den Energieverbrauch überwachen, die Netzstabilität gewährleisten und Prognosen für den zukünftigen Energiebedarf erstellen. Ein Teilnehmer aus einem Energieversorgungsunternehmen betonte, dass neben den Smart Meter Daten auch Wetter- und Produktionsdaten aus dezentralen Energieerzeugungsanlagen wie Photovoltaikanlagen gesammelt und analysiert werden, um den Energiefluss besser steuern und optimieren zu können. Diese Branche ist stark vom Regulator getrieben, Daten systematisch zu nutzen, um den enormen Herausforderungen zu begegnen, die durch die Energiestrategie 2050 und die Aufrechterhaltung der Netzstabilität entstehen. Aus diesem Grund besteht ein erheblicher externer Druck, Strategien für die Nutzung von Daten, Data Science und KI zeitnah umzusetzen. Besonders kleinere Energieversorger haben Schwierigkeiten, mit diesen Anforderungen Schritt zu halten, da ihnen oft die notwendigen Ressourcen und das spezifische Know-how fehlen. Technologien werden bei Energieversorgern sowohl im administrativen Umfeld zur Effizienzsteigerung als auch im Kerngeschäft der Energiewirtschaft als unverzichtbar angesehen.
E-Commerce
E-Commerce-Unternehmen sehen Daten primär als ein Werkzeug zur Steuerung ihrer Geschäftsprozesse und Marketingaktionen. Dabei stehen Kundendaten, Verkaufsdaten und Web-Analytics im Vordergrund. Diese Unternehmen nutzen Daten, um den gesamten Geschäftsprozess nahtlos zu optimieren, von der ersten Interaktion des Kunden mit der Website bis hin zur endgültigen Transaktion. Daten sind von Anfang an ein zentraler Bestandteil eines Webshops. Viele E-Commerce-Unternehmen haben in ihren Anfangsjahren auf SaaS-Plattformen wie Wix oder Shopify gesetzt, die eine schnelle Skalierung ermöglichen. Nach einigen erfolgreichen Wachstumsjahren zeigt sich jedoch oft, dass diese einfachen Lösungen langfristig nicht immer optimal sind. Kritische Geschäftsdaten befinden sich häufig in den Händen der Plattformanbieter, was zu einem umfassenden Vendor Lock-in führen kann, der das Kerngeschäft betrifft. Eine solche Ausgangslage kann strategisch nachteilig sein und insbesondere bei schnell wachsenden Startups einen ungünstigen Einfluss auf die Unternehmensbewertung haben. Spätestens an diesem Punkt investieren E-Commerce-Unternehmen in eigene Datenlösungen. Weitere Treiber dafür sind der Umgang mit internationalem Preisdruck sowie hybride Geschäftsmodelle (Online-Handel und stationärer Einzelhandel), die spezifische Managementsysteme erfordern.
2.4 Fokus auf Energieversorger
Mehr als 40% der kontaktierten Energieversorger haben sich bereit erklärt, an den Interviews teilzunehmen. Alle Interviewteilnehmer zeigten großes Interesse am Thema und nahmen sich viel Zeit, um ihre Gedanken und Erfahrungen zu teilen. SwissDataApps wurde von verschiedenen EVU persönlich vor Ort empfangen, und einige Vertreter haben bereits Interesse an weiterführenden Gesprächen signalisiert. Dieses Engagement zeigt nicht nur eine sehr wertschätzende und vorbildliche Haltung, sondern auch ein deutliches Interesse am vorliegenden Thema. Die Ergebnisse der Interviews sind ebenfalls deutlich: Schweizer Energieversorger zeigen grosses Interesse an Daten, Data Science und KI und möchten auch konkrete Fortschritte in diesen Bereichen erzielen. Das Thema genießt in vielen Unternehmen einen hohen Stellenwert auf Geschäftsleitungsebene. Gleichzeitig sind die vorhandenen Lösungen auf dem Markt noch begrenzt, unter anderem auch, weil grosse internationale Softwareanbieter wenig Interesse an spezifischen Lösungen für die Schweiz haben. Angesichts dieser Erkenntnisse wird sich SwissDataApps sowohl im weiteren Verlauf dieser Studie als auch in der Geschäftsstrategie voll auf die Bedürfnisse der Energieversorger konzentrieren. Es ist eine großartige Mission für SwissDataApps, im Jahrhundert-Projekt Energiestrategie 2050 die Schlüsselunternehmen mit einem kleinen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft zu unterstützen. Nichtsdestotrotz möchten wir auch allen anderen Interviewpartnern unseren großen Dank aussprechen. Ihre wertvolle Zeit und die aufschlussreichen Einblicke werden ebenfalls sehr geschätzt.
3. Situation der Energieversorger
3.1 Allgemeine Herausforderungen
Die Energieversorger in der Schweiz stehen vor einer Reihe von generellen Herausforderungen, die sowohl technologische als auch organisatorische Aspekte betreffen. Diese Herausforderungen spiegeln die komplexe Realität wider, in der sich die Energiebranche heute befindet.
Dezentralisierung der Energieerzeugung und Netzstabilität
Eine der größten Herausforderungen ist der starke Ausbau von Photovoltaikanlagen (PV), der zu einer dezentralen Energieproduktion führt. Verschiedene Interviewpartner betonen, dass die Integration dieser PV-Anlagen zu erheblichen Schwankungen in der Energieeinspeisung führt, die das Netz belasten. Besonders herausfordernd ist dabei, dass der Zubau von PV-Anlagen exponentiell zunimmt und das Netz an vielen Stellen an seine Kapazitätsgrenzen bringen könnte. Dies erfordert von den Energieversorgern umfangreiche Investitionen in die Netzverstärkung und eine kontinuierliche Anpassung der Netzplanung. Netzbetreiber müssen dabei richtig priorisieren und langfristig Investitionen planen.
Unsicherheiten im Energieeinkauf und Prognosefähigkeit
Die zunehmende dezentrale Energieerzeugung und der schnelle Zubau von PV-Anlagen führen auch zu erheblichen Unsicherheiten im Energieeinkauf an Termin- und Spotmärkten. Mehrere Befragte berichten, dass konventionelle Methoden zur Bedarfsprognose an ihre Grenzen stoßen, da sie auf historischen Daten basieren, die den dynamischen Wandel, sowie externe Variablen (z.B. Wetter) nicht ausreichend abbilden. Ein Geschäftsführer eines Energieversorgers betonte, dass auch kurzfristige Prognosen immer schwieriger werden, was zu Fehlkäufen und Verlusten führen kann, wenn überschüssiger Strom zu negativen Preisen am Spotmarkt verkauft werden muss. Die Fähigkeit, akkurate kurz- und langfristige Prognosen zu erstellen, wird daher immer wichtiger und hat direkten finanzielle Konsequenzen.
Betriebswirtschaftlichkeit in dynamischem Umfeld
Die Betriebswirtschaftlichkeit stellt für Energieversorger im neuen regulatorischen und Marktumfeld eine zentrale Herausforderung dar. Besonders Querverbundunternehmen spüren den Verlust traditioneller Cash-Cow-Geschäfte wie dem Gasverkauf. Gleichzeitig belastet der zunehmende Eigenverbrauch durch Photovoltaikanlagen die Netzkosten pro kWh. Möglicherweise müssen die EVU große Beträge in die Netzverstärkung investieren, um zeitlich begrenzte Spitzen bedienen zu können, können diese teuren Kapazität jedoch nicht abschreiben, da eben diese Netze aufgrund der Eigenversorgung zeitlich nur begrenzt ausgelastet werden. Hinzu kommen steigende Personalkosten, verursacht durch Fachkräftemangel und immer breiter werdende Fachgebiete (Telekommunikation, Mobilität, erneuerbare Energien, IT, Daten etc.). Unter diesen Umständen müssen Energieversorger ihre Kosteneffizienz deutlich steigern und von primären Verwaltungsbetrieben zu modernen Dienstleistern werden. Die Umstellung erfordert nicht nur eine Anpassung der Geschäftsmodelle, sondern auch die Implementierung innovativer Technologien und Prozesse.
Digitalisierung, Datenmanagement und technologische Anpassung
Die Digitalisierung und der technologische Wandel sind zentrale Herausforderungen, aber ihre Umsetzung bereitet vielen Energieversorgern Schwierigkeiten. Eine Führungsperson eines EVU berichtete, dass viele Unternehmen zwar große Mengen an Daten, insbesondere durch den Einsatz von Smart Metern, generieren, es aber an Plänen und Systemen fehlt, um diese Daten gewinnbringend zu nutzen. Ein häufiger Kritikpunkt ist, dass bestehende Systeme wie das Energiedatenmanagementsystem zu statisch und unflexibel sind, um die individuellen Anforderungen der Schweizer EVU zu erfüllen. Obwohl EVs auch in neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Data Science investieren, fehlen oft klare Strategien, wie diese Tools konkrete Probleme lösen und Wert generieren können.
3.2 Trends & Prioritäten
Die Schweizer Energieversorgerbranche hat in den letzten Jahren tiefgreifende technologische, regulatorische und wirtschaftliche Veränderungen durchlaufen. Diese äußeren Kräfte bestimmen maßgeblich die Agenda und Prioritäten der Unternehmen und versetzen die Branche in eine entscheidende Phase. Der gegenwärtige Zeitpunkt unterscheidet sich deutlich von früheren Entwicklungen, denn es handelt sich um drei bis vier bedeutende Trends, die sich in den Jahren bis 2030 zeitlich verdichten, an Dynamik gewinnen und aufeinander aufbauen. Einige dieser Trends sind regulatorischer Natur, was bedeutet, dass die Energieversorger gezwungen sind, darauf zu reagieren. Diese Entwicklungen lassen sich als Wellen beschreiben, die sich gegenseitig verstärken und zu einer Megawelle zusammenschließen. Die bekannte Grafik der drei Wellen aus der Covid-19 Pandemie (damals mit Pandemie, Rezession, Klimawandel) lässt sich wohl ähnlich auf die Situation der Schweizer Energieversorgungsunternehmen übertragen. Ein Experte einer Schweizer Fachhochschule bezeichnete den aktuellen Moment treffend als “Kippmoment”.
Trend 1: Regulationen & Smart Meter Rollout
Die Prioritäten und die Roadmap für Schweizer Energieversorger im Bereich Daten werden stark durch regulatorische Vorgaben und technologische Entwicklungen beeinflusst. Der Smart-Meter-Rollout spielt dabei eine zentrale Rolle als Taktgeber. Bis Ende 2027 müssen die Smart Meter flächendeckend installiert sein, was die Energieversorger zwingt, ihre Infrastruktur und Datenverarbeitungssysteme entsprechend anzupassen. Dabei ist zu erwähnen, dass eine vergleichsweise einfache Datenverarbeitung, der sogenannte Meter-to-Cash-Prozess, gesetzlich gefordert ist. Eine weitergehende Nutzung dieser Daten, beispielsweise zur Bewältigung der oben erwähnten Herausforderungen, ist zwar nicht vorgeschrieben, aber naheliegend und bei den meisten befragten Energieversorgern ebenfalls im selben Zeitraum geplant.
Trend 2: Zubau dezentraler Erzeuger
Der starke Zubau von Photovoltaikanlagen kommt als zweite Welle auf die Unternehmen zu. In der Essenz bringt die dezentrale Erzeugung mehr Volatilität ins Netz. Der teils massive Anstieg dieser Volatilität - in einem Fall berichtet ein Geschäftsführer von 300% in nur einem Jahr - bringt ein Element ins System, welches kaum planbar ist. Dies erzeugt massiven Druck, die Netze entsprechend vorzubereiten, wobei die Versorger noch gar nicht wissen, wann und wo solche Anlagen geplant sind. Daher können Daten auch zur besseren Planung dieses Vorhabens an Bedeutung gewinnen.
Trend 3: Markt und Ökonomie
Für viele Querverbundunternehmen fällt mit dem Gasgeschäft eine wichtige Cash-Cow zunehmend weg. Gleichzeitig sind massive Investitionen in den Netzausbau erforderlich, was eine erhebliche finanzielle Herausforderung auf strategischer Ebene darstellt. Auch im operativen Bereich sind die Unternehmen gefordert. Die höhere Eigenversorgung mit punktuell stärkerer Auslastung der peripheren Netze macht das Aufrechterhalten günstiger Netztarife schwierig. Zusätzlich wird erwartet, dass die zunehmende Preisvolatilität am Energiemarkt die Einkaufsstrategien komplexer macht und Fehlkäufe kostspieliger werden. All diese Faktoren setzen die Schweizer Energieversorger unter großen wirtschaftlichen Druck. Technologien, die einen Beitrag zur Steigerung der Kosteneffizienz leisten können, rücken daher in den Fokus.
Trend 4: Mehr Fachbereiche bei weniger Fachkräften
Während die Energieversorger traditionell auf den Betrieb und die Verwaltung relativ statischer elektrischer Netzwerke ausgerichtet waren, haben sich in den letzten Jahren mehrere neue Fachgebiete, wie Telekommunikation, Mobilität, erneuerbare Energien, IT/Cybersicherheit und Datenmanagement, etabliert. Zudem sollen Energieversorger verstärkt Dienstleistungen für ihre Kunden anbieten. Diese neuen Anforderungen treffen auf einen zunehmend akuten Fachkräftemangel, der in vielen dieser Bereiche besonders ausgeprägt ist. Für kleinere Unternehmen stellt dies eine immense Herausforderung dar. Eine Person berichtete, dass die Einstellung eines Netzspezialisten nach langer erfolgloser Suche eingestellt werden musste.
3.3 Hürden & Limitationen
Obwohl die Energieversorger in der Schweiz vor offensichtlichen Herausforderungen stehen, sind in vielen Fällen noch keine umfassenden Lösungen entwickelt worden. Die Gründe hierfür liegen in einer Reihe von Hürden und Limitationen, die sowohl technologische als auch organisatorische Aspekte betreffen.
Traditionelle IT-Kernsysteme entwickeln sich nicht schnell genug weiter
Viele Schweizer EVU nutzen seit Jahrzehnten etablierte IT-Systeme, die auf Abrechnung, Netzdatenmanagement und Kundenverwaltung spezialisiert sind. Diese Systeme sind oft in ihrer Funktionalität eingeschränkt und starr, was ihre Anpassung an die Anforderungen moderner Data-Analytics-Anwendungen erschwert. Ein führender Energieversorger berichtete, dass das vorhandene Energiedatenmanagementsystem zwar grundlegende Aufgaben erfüllen kann, aber für komplexere Analysen nicht geeignet ist. Diese Systeme erschweren die schnelle Einführung neuer Technologien und Lösungen.
Geringes Interesse internationaler Anbieter an Schweizer Lösungen
Für große internationale Anbieter von IT- und Datenlösungen ist der Schweizer Markt zu klein und zu heterogen, um dedizierte, maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Die EVU in der Schweiz sind stark fragmentiert, und ihre Bedürfnisse unterscheiden sich oft erheblich. Diese Marktfragmentierung führt dazu, dass sich Investitionen in speziell entwickelte IT-Lösungen für große Anbieter kaum lohnen. Dies erklärt, warum es wenig moderne, auf Schweizer Energieversorger zugeschnittenen Datenlösungen auf dem Markt gibt. In den Interviews wurde auch angemerkt, dass frühere Anbieter von innovativen Lösungen den Markt wieder verlassen haben, weil die Nachfrage zu offenbar gering war.
Generationenwechsel & Diversifikation der Fachbereiche
Die EVU stehen zudem vor einem Generationenwechsel, der mit der Digitalisierung und einer zunehmenden Diversifikation der Fachbereiche einhergeht. Themen wie Telematik, Photovoltaik, IT/Cybersicherheit und Datenmanagement sind in den letzten Jahren neu dazugekommen. Diese Diversifikation stellt die EVU vor große organisatorische und personelle Herausforderungen, da diese neuen Themen in Konkurrenz zu den bestehenden Prioritäten und Ressourcen stehen. Besonders kleinere Versorger sind dadurch stark gefordert, da sie begrenzte Kapazitäten haben, um diese Vielfalt an Themen angemessen zu adressieren.
Fehlende Größe für interne Daten- und KI-Teams
Ein weiteres zentrales Hindernis ist die Größe der meisten Versorgungsunternehmen. Für die meisten ist es weder finanziell noch operationell möglich, eigene Data-Science- oder KI-Teams aufzubauen. Mehrere Führungspersonen berichteten, dass es nicht genügend Arbeit für einen Vollzeit-Datenanalysten gibt. Dieser Mangel an personellen Ressourcen schränkt die Fähigkeit der EVU ein, ihre datenbezogenen Herausforderungen eigenständig zu bewältigen.
Erfolgreiche Lösungen basieren oft auf personellen Stärken
Es gibt einige Unternehmen, die in spezifischen Bereichen bemerkenswerte Fortschritte gemacht haben. Doch diese Erfolge beruhen oft darauf, dass sie Mitarbeiter mit den richtigen Kompetenzen an Bord hatten. Ein Pionier eines EVU erwähnte, dass sein Unternehmen eine funktionierende Datenlösung nur deshalb entwickeln konnte, weil ein Mitarbeiter sowohl in der Energietechnologie als auch im Bereich Software und Data Science über tiefgehende Kenntnisse verfügte. Solche Erfolge scheinen jedoch eher aus der Kombination individueller Fachkenntnisse und Initiative zu resultieren als aus einem strategischen Plan, was die langfristige Tragfähigkeit solcher Lösungen infrage stellt.
4. Spezifische Problemstellungen
4.1 Neue Dynamik der Energieproduktion
Wetterabhängige Energieproduktion im eigenen Gebiet wird zum signifikanten Faktor
Der verstärkte Ausbau von Photovoltaik führt dazu, dass die lokale Produktion im eigenen Gebiet zu einem entscheidenden Faktor wird. Diese Produktion ist jedoch stark wetterabhängig und volatil. Da die Versorgungsgebiete von Schweizer Energieversorgern in der Regel geografisch homogen sind, etwa in einem Tal oder einer Stadt, ist davon auszugehen, dass eine hohe positive Korrelation zwischen der Produktion der verschiedenen Anlagenbetreiber innerhalb eines solchen Gebiets besteht, respektive kein natürlicher Ausgleich der Volatilität entsteht.
Wetterabhängige Energieproduktion Europaweit erhöht Preisvolatilität am Spotmarkt
Gleichzeitig wird auch die Produktion von Wind und PV im europäischen Verbundnetz weiter zunehmen, was möglicherweise zu einer stärkeren Volatilität der Preise am Spotmarkt führen wird. Es ist anzunehmen, dass an Sommertagen mit stabilen Großwetterlagen über Mitteleuropa die Strompreise in Deutschland stark sinken und den Schweizer Strompreis direkt beeinflussen können. Insbesondere tiefe und negative Preise schlagen direkt auf dem Schweizer Day-Ahead-Markt durch.
Kurzfristprognose wird wichtiger und aber schwieriger
Schweizer EVU müssen ihre Prognosefähigkeiten weiter verbessern, da die finanziellen Auswirkungen suboptimaler Vorhersagen erheblich sein könnten. Positiv gesehen könnte die zunehmende Eigenproduktion helfen, sich besser gegen Marktschwankungen abzusichern, da das alpine Wetter oft anders ist als im Rest Europas. Allerdings wird die Prognose komplexer, da das Wetter als neuer, unkontrollierbarer Faktor auf verschiedenen zeitlichen und geografischen Ebenen ins Spiel kommt. Deshalb müssen die Prognosen individuell an jedes Versorgungsgebiet angepasst werden, unter Berücksichtigung von PV-Anteil, Speicherressourcen und Bandenergie.
Langfristprognose müssen Potentiale berücksichtigen
Beim Einkauf von Bandenergie am Terminmarkt müssen Energieversorger verstärkt auch die zukünftigen Entwicklungen des Photovoltaikparks berücksichtigen, da sich die Installationsbasis im Zeithorizont der strategischen Einkäufe erheblich verändern kann. Ein CEO eines Berner EVU berichtete beispielsweise, dass der Zubau von PV-Anlagen um 300 % gestiegen ist, was einem exponentiellen Wachstum entspricht. Daher sollten nicht nur bestehende Solaranlagen einbezogen werden, sondern auch Prognosen zukünftiger Kapazitäten, basierend etwa auf Dachpotenzialen, Installationsgesuchen und Klimaentwicklungen wie längere sonnige Sommerperioden oder weniger Schneefällen.
Intelligente Ausgleichsmechanismen schaffen
Während Klimaentwicklungen langfristig prognostizierbar sind, bleibt das Tageswetter unberechenbar, was mit einem steigenden Anteil an PV-Strom zu stärkeren Variationen innerhalb von Tagen und Wochen führt. Diese Schwankungen können im Extremfall über den Preis und den Spotmarkt ausgeglichen werden. Doch nachhaltiger sind Mechanismen, die diese Variationen innerhalb des EV-Gebiets abflachen. Traditionelle Puffer wie Batterien und andere Speichertechnologien spielen hierbei eine zentrale Rolle. Darüber hinaus bietet die PV-Produktion selbst einen Ansatz zur Glättung dieser Schwankungen. Wie Thomas Weber (2024) betont: „Die Betreiber vieler dieser Anlagen produzieren ungeachtet der Nachfrage und des Preises stur durch.” Anstatt nur auf Spitzenzeiten abzuzielen, könnte eine strategische Ausrichtung der Solarpanels dazu führen, dass sich die Produktion mehr auf die Bedarfszeiträume konzentriert, insbesondere auf Zeiten wie den späten Nachmittag oder Abend. Dies würde es ermöglichen, die Abhängigkeit von externen Märkten zu verringern und allfällig vorhandene limitierte Speicherkapazität besser einsetzen zu können. Neben den nötigen politischen Rahmenbedingungen erfordert dies jedoch auch eine klare Vorstellung und Modellierung dieser Bedarfszeiträume durch die EVU, um darauf basierend geeignete Steuerinstrumente zu entwickeln.
4.2 Netzstabilität und Netzausbau
Neue Volatilität
Der rapide Ausbau dezentraler Energiequellen stellt eine erhebliche Herausforderung für die Stabilität der Stromnetze dar. Anstatt wie bisher nur eine Volatilität, nämlich die Nachfrage, ist mit der wetterabhängigen Erzeugung nun plötzlich eine zweite Quelle von Volatilität im Netz vorhanden. Im Extremfall könnten sich diese beiden Schwankungen gegenseitig ungünstig beeinflussen. Mehrere Interviewpartner, darunter Netzplaner und Geschäftsführer von Energieversorger unterstreichen, dass dies ein Problem darstelle und noch keine definitive Lösung in Sicht sei.
Geforderte Netzverstärkung
Die gleichzeitige Einspeisung großer Mengen Solarstrom, etwa an sonnigen Tagen, bringt bestimmte Netzabschnitte zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Ein Netzplaner berichtete, dass einige Randgebiete bereits diese Kapazitätsgrenzen erreicht haben, sodass dort keine weiteren Anlagen ohne massiven Netzausbau angeschlossen werden können. Daher stehen die Netzbetreiber unter wachsendem Druck, bestimmte Netzbereiche zu verstärken.
Finanzielle Auswirkungen
Der Netzausbau ist jedoch langwierig und sehr kostenintensiv. Besonders im aktuellen finanziellen Umfeld, in dem wichtige traditionelle Einnahmequellen sinken, stellen diese Investitionen eine erhebliche finanzielle Herausforderung dar. Hinzu kommt, dass durch die zunehmende Eigenversorgung und die damit verbundene höhere Volatilität die Netze eine höhere Leistung erbringen müssen, während gleichzeitig über längere Perioden weniger Energie über diese Infrastrukturen verkauft werden kann. Dies führt dazu, dass die Abschreibungskosten pro kWh steigen.
Rhythmus und Fachkräftemangel
Ein weiteres großes Problem ist der Fachkräftemangel, der die Umsetzung von Netzstabilisierungsmaßnahmen verlangsamt. Verschiedene Interviewpartner beklagten, dass die Personalrekrutierung sowohl für Fachkräfte in der Netzplanung als auch für den effektiven Ausbau schwierig und teuer ist. Dies kann den Ausbau verteuern und weiter verlangsamen, insbesondere wenn parallel dazu weitere arbeitsintensive Projekte wie das Smart Meter Rollout anstehen.
Strategische Priorisierung
All diese Faktoren führen dazu, dass die EVU die Netzstabilisierungsmaßnahmen zwar zügig angehen, aber auch gut planen und priorisieren müssen. Es muss eine Balance zwischen notwendigen Ausbaumaßnahmen und kostenbewusster Planung gefunden werden, die sich an den angestrebten Betriebskosten und den verfügbaren Mitteln orientiert. Für diese Aufgabe benötigen die EVU jedoch detaillierte Daten und Informationen über das prognostizierte Verhalten der Netze, sowie eine zeitnahe Überwachung der Entwicklung (digitaler Zwilling mit Ist-Soll-Abgleich über verschiedene Zeiträume hinweg).
4.3 Betriebswirtschaftliche Situation
Wegfall stabiler Cash-Cows
Traditionelle Einnahmequellen wie der Verkauf von Gas und Strom gehen zurück und müssen durch alternative Geschäftsmodelle wie moderne Dienstleistungen oder erneuerbare Energien ersetzt werden, was politisch gewollt ist. Diese Transformation stellt jedoch eine betriebswirtschaftliche Herausforderung für viele EVU dar. Stabile Cash-Cows müssen durch teils noch unerschlossene Geschäftsmodelle ersetzt werden, was kurzfristig zu einem Rückgang der Umsätze führen kann. Ein Beispiel hierfür ist ein Berner Querverbundunternehmen, dass innerhalb eines Jahres einen Rückgang von 13 % im Gasabsatz verzeichnete. In dieser Situation müssen die Unternehmen betriebswirtschaftlich geschickt ihre Kosten optimieren und gleichzeitig neue Geschäftsbereiche strategisch ausbauen.
Transformation zu modernen Dienstleistern
In diesem Umbau müssen sich Energieversorger von traditionellen Netzbetreibern und Verwaltungsbetrieben zu modernen Dienstleistern zu entwickeln. Diese Transformation erfordert nicht nur eine Neuausrichtung der Geschäftsmodelle, sondern auch eine grundlegende organisatorische Anpassung. EVU müssen ihre Prozesse digitalisieren und automatisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und gleichzeitig neue Dienstleistungen für Kunden anzubieten. Dieser Wandel bringt erhebliche Herausforderungen mit sich, insbesondere im Hinblick auf die Integration moderner Technologien wie Künstliche Intelligenz und die Schulung der Belegschaft.
Verbreiterung der Fachgebiete
Die Einführung dieser neuen Bereiche und Technologien trägt jedoch weiter zur Verbreiterung der Fachgebiete bei. Besonders in Fachbereichen mit ausgeprägtem Fachkräftemange, wie z.B. der IT oder der Datenverarbeitung, kann dies schwierig und teuer werden oder die Umbauprozesse sogar verlangsamen.
Digitalisierung und Vereinheitlichung
Die Fokussierung auf Dienstleistungen und neue Geschäftszweige erfordert auch eine Vereinheitlichung der internen Prozesse und Datensysteme. Wie viele Schweizer KMU stehen auch die Energieversorger vor der Herausforderung, mit einer Vielzahl von Systemen und Datenstrukturen (Silos) umzugehen, was dazu führt, dass viele übergreifende Prozesse arbeitsintensiv und ineffizient sind. Um die komplexeren zukünftigen Strategien erfolgreich umzusetzen, sollten diese Prozesse digitalisiert und Datensilos beseitigt werden. Andernfalls könnte die zunehmende Komplexität der Anforderungen langfristig zu erheblichen Problemen führen.
Automatisierung von Routineaufgaben
Um die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen, ist eine deutliche Effizienzsteigerung notwendig. Die Digitalisierung und der Einsatz neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz können die Automatisierung von Prozessen vorantreiben und dienen als wichtige Werkzeuge für das Kostenmanagement. Insbesondere standardisierte Routineaufgaben, wie einfache Kundensupportdienste oder interne Verwaltungsprozesse, können durch solche Technologien automatisiert werden, wodurch Personalressourcen eingespart werden. Die Implementierung solcher modernen Tools erfordert jedoch erhebliche Fachkenntnisse und ist für kleinere EVU oft nicht einfach zugänglich.
5. Lösungsansätze
5.1 Allgemeine Lösungsstrategie
Wichtiger Hinweis
Die hier vorgeschlagenen Lösungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die technischen Zusammenhänge sind äußerst komplex, und es ist nicht möglich, in so kurzer Zeit vollständige Lösungen zu erarbeiten. Zudem sind einzelne Vorschläge Fachübergreifend und es ist SwissDataApps allein nicht möglich, das nötige Fachwissen in allen relevanten Bereichen bereitzustellen. Stattdessen sollten die nachfolgend diskutierten Punkte als Ideen, Denkanstöße und Ansätze verstanden werden, die zwingend mit der Erfahrung und Domänenexpertise etwa der EVU oder der Wissenschaft weiterentwickelt werden müssen.
Chancen & Nutzen von Data Science und KI
Die beschriebenen Herausforderungen sind größtenteils Informationsprobleme. Kosten entstehen, weil suboptimale Entscheidungen getroffen werden, da die nötigen Informationen als Entscheidungsgrundlage schlichtweg fehlen. Data Science und KI haben die Aufgabe, aus Daten relevante Informationen zu generieren. Da eine Fülle von Daten bereits vorhanden ist, bestehen grundsätzlich gute Voraussetzungen, um zumindest einige der beschriebenen Probleme zu lösen oder zu verbessern. Data Science und KI könnten als Werkzeuge mit folgendem Nutzen eingesetzt werden:
Deskriptive Datenanalysen: Einfach verständliche Analysen und Dashboards können das Management auf verschiedenen Ebenen unterstützen und breitere Entscheidungsgrundlagen schaffen.
Statistische Modelle und Data Science: Prognosemodelle, die multivariable Ansätze nutzen, können Zusammenhänge aufzeigen und so fundierte Grundlagen für strategische Entscheidungen, etwa im Energieeinkauf, bieten.
Analytische KI-Modelle: Solche Modelle können in den komplexen Mechanismen der Energiewirtschaft signifikante Muster erkennen und (überraschend) präzise Prognosen liefern. Ein Beispiel dafür ist Google DeepMind, das den Energieverbrauch von Rechenzentren um 40 % senken konnte.
Generative KI-Modelle (LLM): Im Backoffice können generative KI-Modelle Prozesse effizienter gestalten und das interne Wissensmanagement verbessern, was zu erheblichen Effizienzsteigerungen führen könnte.
Realisierungsansatz: Co-Development
Die vorliegenden Herausforderungen sind hochkomplex und erfordern Expertise aus verschiedenen Bereichen. SwissDataApps bringt die notwendige Kompetenz im Bereich Datenverarbeitung, Data Science und KI mit und verfügt über ein limitiertes theoretisches Verständnis der Energietechnologie. Zur erfolgreichen Bewältigung der Herausforderungen sind jedoch zusätzliche Fachkenntnisse erforderlich:
Energietechnologie und Netzwerke: Expertise, um die technischen Anforderungen und Möglichkeiten zu verstehen.
Photovoltaik: Spezifisches Wissen, um das Potenzial und die Herausforderungen dieser Technologie zu bewerten.
Energieökonomie: Um die wirtschaftlichen Implikationen zu analysieren und zu optimieren.
Praktisches Wissen der Energieversorger: Verstehen, wie die Prozesse bei EVU funktionieren und wie sie am besten unterstützt werden können.
In ähnlichen Projekten hat sich das Modell des Co-Development bewährt. Dabei bildet sich eine Interessengemeinschaft aus mehreren Energieversorgern und SwissDataApps, um gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Für gewisse Teillösungen wäre zudem die Einbeziehung akademischer Akteure wünschenswert; eine Schweizer Fachhochschule hat bereits mündliches Interesse bekundet. Jede Partei würde Ressourcen und/oder Fachwissen einbringen, während die Details der Lösung gemeinsam erarbeitet, geplant und umgesetzt werden. SwissDataApps verfügt über umfangreiche Erfahrung mit modularen Systemen, die zentrale Elemente wie Infrastruktur oder Datenverarbeitung gemeinsam nutzen, während die Endprodukte - zum Beispiel Dashboards oder Algorithmen - individuell an die Bedürfnisse der jeweiligen Kunden angepasst werden. Diese Herangehensweise ermöglicht kosteneffiziente Systeme, die dennoch den spezifischen Anforderungen der Energieversorger gerecht werden.
Partnerschaft mit Fachhochschule und Innosuisse
Einige der im Folgenden beschriebenen Lösungsvorschläge sind technisch anspruchsvoll und erfordern interdisziplinäre Expertise. SwissDataApps ist auf die Unterstützung von externen Partnern angewiesen, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Obwohl die Erfahrung der EVU wertvolle Beiträge liefern wird, reicht sie möglicherweise nicht aus, um das erforderliche Wissen vollständig abzudecken, da es sich teilweise um neuartige und komplexe Problemstellungen handelt. Daher wäre eine Partnerschaft mit einer Schweizer Forschungseinrichtung sowohl zielführend als auch wünschenswert. Erste Interessensbekundungen in diese Richtung wurden bereits ausgesprochen. Da das vorliegende Projekt darauf abzielt, ein bedeutendes gesellschaftliches Problem zu lösen und einen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung der Energiestrategie 2050 der EVU zu leisten, könnte es sich zum Beispiel für eine Förderung durch Innosuisse qualifizieren. Die weiteren Details einer solchen Zusammenarbeit müssen noch ausgearbeitet werden.
5.2 Gemeinsame Datenbank für Kontextdaten
Idee und Ziel
Um in einer komplexen und datengetriebenen Welt fundierte Entscheidungen treffen zu können, müssen vermehrt Data Science Modelle eingesetzt werden. Solche Modelle versuchen aufgrund von Daten künftige oder unbekannte Entwicklungen abzuschätzen. Zwar stellen Smart-Meter-Daten das Herzstück dieser Daten dar, sie allein bieten jedoch nur einen begrenzten Nutzen. Um das volle Potential aus diesen Daten zu ziehen, müssen mit den richtigen Kontextdaten ergänzt werden. Das untenstehende Schema zeigt eine vereinfachte Version eines solchen Modells. Die Smart Meter Daten geben an, wie die Situation in der Vergangenheit war. Die Kontextdaten versuchen zu erklären, warum die Situation so war. Das Model nimmt dann beide Datensätze zusammen und erstellt darauf eine Prognose für eine zukünftige oder unbekannte Situation.
Die Kontextdaten umfassen also diejenigen Datensätze, welche möglicherweise mit der Stromproduktion, der Nachfrage sowie dem Energiepreis im Zusammenhang stehen könnten. Zu diesen Daten gehören unter anderem:
Hochauflösende und historische Wetterdaten aus relevanten Gebieten.
Tiefauflösende und historische Wetterdaten aus den für den Markt relevanten Regionen in Europa.
Daten zu Energiepreisen aus den relevanten Märkten.
Informationen zu bestehenden und geplanten PV-Anlagen im Versorgungsgebiet.
Potenzielle Dachflächen für PV-Produktion, einschließlich der Ausrichtung in den verschiedenen Regionen.
Baugesuche und Baubewilligungen aus den entsprechenden Regionen.
Möglicherweise größere Verbraucher wie Wärmepumpen und e-Mobile.
Technische Lösungsansätze
Viele der relevanten Daten (z. B. Wetter, Dachflächen, PV-Anlagen) sind georeferenziert, liegen jedoch in verschiedenen Formaten und Auflösungen vor. Wetterdaten für lokale Gebiete sollten in hoher Auflösung (z. B. 1 km x 1 km) vorliegen, während Wetterdaten für größere Märkte in niedrigerer Auflösung (z. B. 10 km x 10 km) ausreichend sind. Diese Wetterdaten sollten zudem über einen langen Zeitraum hinweg (z. B. tägliche Auflösung über 10 Jahre) verfügbar sein. Dachflächen und Baugesuche liegen häufig als Vektordaten vor oder können zumindest bestimmten Gemeinden zugeordnet werden. Energiepreise hingegen sind reine Zeitreihen. Angesichts dieser Anforderungen empfiehlt sich der Einsatz von PostgreSQL in Kombination mit PostGIS und TimescaleDB.
PostgreSQL ist eine hochmoderne Open-Source-Datenbank, die hohe Flexibilität und exzellente Leistung bietet.
PostGIS erweitert PostgreSQL um leistungsfähige Funktionen zur Verwaltung geographischer Daten, insbesondere zur Verarbeitung von Rasterdaten wie Wetterinformationen und Vektordaten.
TimescaleDB ist eine Erweiterung von PostgreSQL, die speziell für die effiziente Verwaltung von Zeitreihen optimiert ist.
Diese Architektur ermöglicht eine performante, skalierbare und zukunftssichere Datenbanklösung, die sowohl räumliche als auch zeitliche Daten effizient verwalten kann. Da dieses System Open-Source ist bestehen keine Abhängigkeiten. Die Datenbank wird auf einer Cloud-Architektur (AWS oder Azure) betrieben. Die Datenquellen werden wie folgt integriert:
Wetterdaten: Automatisierte Integration via API, viertelstündlich aktualisiert, inkl. 14 Tage Prognosen.
Preisdaten: Automatisierte Integration via API, viertelstündlich aktualisiert (Day-Ahead + andere).
Baugesuche und Dachflächen: Manuelle Aktualisierung in regelmäßigen Abständen (z. B. monatlich/jährlich).
Die Abfragen (Output) erfolgen über einen definierten RESTful API-End Point, der flexibel und sicher ist und verschiedene Nutzungsszenarien ermöglicht:
Modellberechnungen können direkt darauf zugreifen.
Dashboards zur Analyse können direkt darauf zugreifen.
Externe Systeme können darauf zugreifen, sondern Zugriffserlaubnis.
Denkbar ist auch, dass die EVs die Daten direkt via SQL-Abfragen von der Datenbank beziehen können (je nach Wunsch IT).
Neu bietet das PostGres System sogar die Möglichkeit mit der Erweiterung pgVector mit Vektordatenbank ergänzt zu werden. Dies würde die Möglichkeit eröffnen, die gemeinsame Datenbank auch als Basis für KI-basierte Sprachmodelle, sogenannte LLM, respektive dessen vorgelagerte Wissensdatenbank, zu nutzen, wie in Abschnitt 5.6 beschrieben.
Beispiel
Beispiele für ähnliche Datenbanken finden sich im Solution Book von SwissDataApps: https://swissdataapps.github.io/solution_book/chapters/data_management.html
Realisierungsansatz
Da viele dieser Daten öffentlich zugänglich sind und von mehreren Energieversorgern benötigt werden, ist es sinnvoll, eine gemeinsame Datenbank aufzubauen und zu betreiben. Diese Datenbank dient als gemeinsame Grundlage für interne Systeme, Modelle und Analysen aller beteiligten Energieversorger. Dies ist nicht nur effizienter, sondern auch kostengünstiger, als wenn jedes Unternehmen seine eigene Lösung entwickeln würde. In den Interviews gaben praktisch alle Energieversorger an, dass sie keine eigenen Datenteams beschäftigen können, da sie dafür zu klein sind. In diesem Zusammenhang erscheint eine gemeinsame Lösung besonders sinnvoll. Die technische Implementierung der Datenbank liegt in der Kernkompetenz von SwissDataApps und wird von ihnen durchgeführt. SwissDataApps verfügt bereits über umfangreiche Erfahrung mit ähnlichen Datenbanksystemen, insbesondere im Bereich großflächiger Wetterdaten und Zeitreihen. Die Energieversorger spielen eine Rolle bei der Spezifikation der benötigten Daten. Zudem bringen sie ihr Wissen und ihre Wünsche über regionale Daten ein. Die Teilnahme- und Zugriffsrechte werden frühzeitig festgelegt, um klare Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Umsetzungszeit beträgt etwa 4-6 Monate, wobei die Planungs- und Definitionsphase von zentraler Bedeutung ist.
Nutzen
Eine zentrale gemeinsame Datenbank bietet mehrere wesentliche Vorteile:
Informationsgewinn: Wetterdaten bestimmen sowohl den Stromkonsum wie auch deren Produktion maßgeblich mit. Der Einbezug externer Faktoren, wie z. B. Wetterdaten, führen voraussichtlich zu einer erheblichen Verbesserung der Prognosegenauigkeit und damit zu einem gesteigerten Informationsgewinn.
Gemeinsame Datenstandards: Ein gemeinsamer Datenstandard erleichtert zukünftige Geschäftsentwicklungen. Nahtlose Dienstleistungen zwischen den Energieversorgern sowie gemeinsame Projekte, z. B. auf Bezirksebene oder im Rahmen von Smart Energy AARE, können problemlos gestartet werden.
Standardisierte Modelle: Eine gemeinsame Basis ermöglicht die Implementierung gleicher oder ähnlicher Modelle für Prognosen, Einkaufsstrategien usw., was zu einer vergleichbaren und effizienten Datennutzung führt.
Ideenaustausch: Durch die Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Datenbank können die Spezialisten der Energieversorger ihre Ideen und ihr Wissen austauschen, was zu innovativen und verbesserten Lösungen führen kann.
Kostenteilung bei Investitionen: Die Kosten für die Erstellung einer gemeinsamen Datenbank sind nur geringfügig höher als die für eine Einzelinitiative. Daher besteht ein großes Einsparpotenzial.
Kostenteilung bei laufenden Kosten: Laufende Kosten wie Serverkosten, Abonnements (insbesondere Wetterdaten) und Wartung können gemeinsam getragen werden, was erhebliche Kosteneinsparungen ermöglicht.
Einbettung der Datenbank in eine Gesamtlösung
Wie erwähnt wird die gemeinsame Datenbank ausschließlich öffentlich zugängliche Daten beinhalten. Private und interne Daten, wie etwa sie Smart-Meter Daten, werden weiterhin auf den bestehenden Systemen (ISE) gespeichert. Auch weiterführende Modelle, welche ebendiese internen Daten verwenden, sowie Systeme zur Datenvisualisierung und Export, werden on-Premis bei den jeweiligen EVU gehosted. So kann sichergestellt werden, dass jedes Unternehmen trotz gemeinsamer Datenbank die Datensicherheit weiterhin gewährleistet hat. Dieses Schema zeigt die Datenbank als zentrale Basis für die komplette in diesem Dokument beschriebene Lösung.
5.3 Langfristiges Prognosemodell für den Terminmarkteinkauf
Idee und Ziel
Langfristprognosen sollen es Energieversorgern ermöglichen, den Einkauf von Bandenergie am Terminmarkt präziser zu gestalten. Anstatt sich lediglich auf historische Verbrauchsdaten zu stützen, sollen diese Prognosen auch andere relevante Variablen wie die Anzahl und Entwicklung von PV-Anlagen, Dachflächenpotenziale, Baugesuche und klimatische Trends berücksichtigen. Dies erlaubt es, probabilistische Modelle zu erstellen, die sowohl die künftige Eigenproduktion als auch den erwarteten Strombedarf abbilden. Dadurch können strategische Entscheidungen im Energieeinkauf optimiert werden, was das Risiko von Über- oder Unterdeckungen im Energieportfolio verringert. Diese Prognosen zielen weniger auf hohe Tagesgenauigkeit ab, sondern vielmehr auf eine verlässliche Grundkomponente, die den langfristigen Energiebedarf absichert.
Ansatz zur Modellierung
Eine Zeitreihe wie der Energieverbrauch über eine Region kann oft in folgende Komponenten zerlegt werden:
Level oder Grundkomponente.
Langfristiger Trend.
Saisonalität über verschiedene Zeitfenster (Tag, Woche, Jahr).
Rauschen oder unerklärbarer Teil.
Im vorliegenden Fall interessieren die Komponenten Level, Trend und Saisonalität über Jahr und Woch, denn diese können vernünftigerweise mit Bandenergie abgedeckt werden. Zur Modellierung dieser Komponenten gibt es verschiedene Ansätze, wie Exponential Smoothing oder indirekt auch SARIMA. Diese Modelle sind jedoch aus mehreren Gründen für das vorliegende Problem ungenügend:
Aufgrund der PV wird mit dem Wetter ein externer Faktor mit einfließen.
Dieser Faktor wird sich um laufe der Prognoseperiode verändern (Zubau PV)
Das Modell könnte entsprechend dem untenstehenden Schema auf ein SARIMAX+ Model erweitert werden, wobei:
Das Zeitreihenmodell wird um den externen Faktor (X), PV-Erzeugung, erweitert.
Dieser X-Faktor variiert über die Zeit und ist von Baugesuchen und Dachflächen abhängig.
Gegebenenfalls kann der Einfluss des X-Faktors auf die Varianz sowie auf den Trend separat modelliert werden.
Diese Abhängigkeiten werden mittels Machine Learning Verfahren (z.B. RNN LSTM) aus den Vergangenheitsdaten gelernt.
Sobald eine zuverlässige Modellierung der einzelnen Komponenten (Level, Trend, Saisonalität, Rauschen, PV/Wetter) vorliegt, können diese separiert exportiert und als Grundlage für die Einkaufsstrategie am Terminmarkt genutzt werden. Wichtig zu erwähnen ist, dass dies lediglich einen Ansatzpunkt zur Modellierung darstellt. Das endgültige Modell muss dann erarbeitet werden.
Beispiel
Ein sehr vereinfachtes SARIMA Modell basierend auf öffentlich zugänglichen Verbrauchsdaten auf Netzebene 7 der Stadt Zürich wurde von SwissDataApps als Versuch bereits umgesetzt. Es hat sich gezeigt, dass selbst einfache SARIMA Modelle bereits akzeptable Resultate liefern können. hhttps://swissdataapps.github.io/solution_book/chapters/energy_demand_lt_forecast.html
Technologie
Dieses Modell wird entweder in einer Cloud-Umgebung oder als On-Premise-Lösung beim EVU implementiert. Es greift sowohl auf die gemeinsame Datenbank für Kontextdaten als auch auf die Smart-Meter-Daten zu. Die Berechnungen erfolgen on-demand, und die Ergebnisse können direkt in Dashboards angezeigt oder als CSV-Dateien exportiert werden.
Realisierungsansatz
Die Entwicklung von statistischen und Machine Learning Modellen liegt in der Kernkompetenz von SwissDataApps. Das Unternehmen verfügt bereits über Erfahrung mit Zeitreihenanalysen und der Arbeit mit Energiedaten. Die Zusammenarbeit mit den EVU ist entscheidend, um praxisnahe Modelle zu entwickeln, die spezifische Anforderungen der Energieversorger berücksichtigen. Die Implementierungszeit beträgt etwa 4-6 Monate. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Modelle zumindest teilweise für die Situation eines EVU entwickelt und trainiert werden. Daher sollte es einfacher sein, akkurate Ergebnisse zu erzielen, als bei einem Modell, das allgemeingültig sein muss.
Nutzen
Durch präzisere Langfristprognosen können Energieversorger den Einkauf von Bandenergie besser planen und so finanzielle Risiken minimieren. Die datenbasierten Entscheidungsgrundlagen erhöhen die Transparenz und Kohärenz strategischer Entscheidungen, indem sie Expertenwissen mit quantitativen Analysen ergänzen. Dies führt zu einer verbesserten Versorgungssicherheit, optimiert die Kostenstruktur und reduziert die Volatilität im Energieeinkauf durch genauere Vorhersagen. Langfristig ermöglicht dies eine stabilere und kosteneffizientere Betriebsführung. Bei Bedarf können zusätzlich Optimierungsmodelle erstellt werden, die die Prognoseunsicherheit mit den erwarteten finanziellen Nachteilen eines Über- oder Unterkaufs abwägen, um so die erwarteten Kosten zu minimieren.
5.4 Kurzfristiges Prognosemodell für den Spotmarkteinkauf
Idee und Ziel
Kurzfristprognosen über 1 bis 7 Tage sollen Energieversorger dabei unterstützen, den Einkauf am Day-Ahead-Markt effizienter zu gestalten. Im Gegensatz zu den Langfristprognosen stehen dafür relativ zuverlässige Wetterprognosen zur Verfügung. Der Ansatz berücksichtigt einerseits die europaweite Großwetterlage, um die Strompreise am Markt besser zu antizipieren. Andererseits werden detaillierte Wetterbedingungen innerhalb der Region herangezogen, um sowohl die Nachfrage als auch die PV-Produktion im eigenen Gebiet zu modellieren. Regionale Besonderheiten wie etwa Tourismusgebiete (Skilifte, Hotels) können ebenfalls flexibel berücksichtigt werden. Der Prognoseprozess läuft automatisiert und liefert verschiedene Informationen.
Ansatz zur Modellierung
Das Problem der Kurzzeitprognose für die Einkaufsstrategie am Spotmarkt kann in drei Teilprobleme unterteilt werden:
Vorhersage des Bedarfs im Versorgungsgebiet.
Vorhersage der Eigenproduktion im Versorgungsgebiet.
Die Vorhersage des Energiepreises am Markt.
Sobald für diese Angaben Schätzungen vorliegen, können sie für die Erarbeitung der Einkaufsstrategie verwendet werden. Für diese Aufgaben wird eine möglichst hohe Genauigkeit (Accuracy) erwartet. Deshalb sollten, wenn möglich, fortgeschrittene Machine-Learning-Modelle eingesetzt werden. Da die besten Modelle ohne konkrete Daten und ausgiebiges Experimentieren noch nicht bestimmt werden können, werden im Folgenden lediglich einige Ansätze diskutiert. Vorhersage des Bedarfs im Versorgungsgebiet Als Basis für diese Modelle stehen folgende Variablen zur Verfügung:
Verbrauchsdaten historisch.
Wetterdaten - Viertelstundenwerte, Prognose über 7 Tage.
Wetterdaten - Viertelstundenwerte, historische Daten.
Weitere Faktoren nach Bedarf
Als Wetterdaten kommen verschiedene Variablen, wie etwa Temperatur, Sonnenschein oder Schneefall in Betracht. Diese müssen eruiert werden. Des Weiteren können gebietsspezifische Faktoren wie etwa Tourismusaktivitäten, Skianlagen oder Events in Betracht gezogen werden. Folgende Modelle können getestet werden.
SARIMA mit exogenen Variablen (SARIMAX):
Das SARIMA-Modell (Seasonal AutoRegressive Integrated Moving Average) ist ein klassisches statistisches Verfahren zur Vorhersage zukünftiger Werte einer Zeitreihe, indem es vergangene Werte in deren Saisonalität, Trends und Muster sowie zufällige Schwankungen zerlegt. Hier wird es um ein oder mehrere exogene Faktoren erweitert. Der Einfluss dieser Faktoren wird durch das Modell aus den historischen Daten ermittelt. SARIMAX bietet ein solides Grundmodell und ist einfach zu implementieren, kann jedoch keine komplexen und nicht-linearen Zusammenhänge abbilden.
Recurrent Neural Networks (RNN) mit Attention Mechanism:
RNNs sind neuronale Netzwerke, die speziell für die Verarbeitung und Vorhersage von sequenziellen Daten entwickelt wurden, indem sie Informationen aus vorherigen Zeitschritten speichern und nutzen. Attention-Mechanismen, die in ähnlicher Form auch in großen Sprachmodellen zum Einsatz kommen, sorgen dafür, dass diejenigen spezifischen Daten aus der Vergangenheit in den Fokus gerückt werden, die besonders relevant für die Vorhersage sind. Dies ermöglicht es dem Modell, relevante Muster aus der Vergangenheit zu identifizieren, auch wenn diese lange zurückliegen oder unregelmäßig auftreten, und verbessert so die Vorhersagegenauigkeit, insbesondere bei stark schwankenden und komplexen Zeitreihen.
Vorhersage der Eigenproduktion im Versorgungsgebiet
Als Basis für diese Modelle stehen folgende Variablen zur Verfügung:
Aktuelle Kapazität der PV-Anlagen im Gebiet.
Sonneneinstrahlung (W/m2) - Viertelstundenwerte, Prognose über 7 Tage.
Sonneneinstrahlung (W/m2) - Viertelstundenwerte, historische Daten.
Erzeugungsdaten historisch.
LSTM mit exogenen Variablen:
Long-Short-Term-Memory-Modelle (LSTM) sind neuronale Netze, die besonders gut darin sind, komplexe Beziehungen von zeitlichen Abfolgen über längere Zeiträume hinweg zu erlernen und vorherzusagen. Das Netzwerk entscheidet bei jedem Zeitschritt, welche vergangenen Informationen für die Prognose relevant sind. Für den vorliegenden Fall wird das LSTM-Modell um den exogenen Faktor Sonneneinstrahlung erweitert, wodurch das Modell wertvolle zusätzliche Informationen erhält. Damit ist es in der Lage, sowohl in der Zeitreihe enthaltene Muster als auch die nicht in der Zeitreihe enthaltenen Wetterprognosen zu berücksichtigen und eignet sich ideal zur Vorhersage der PV-Erzeugung für die nächsten 1 bis 7 Tage.
Beispiel
Beispiele für ähnliche Datenbanken finden sich im Solution Book von SwissDataApps: https://swissdataapps.github.io/solution_book/chapters/weather_effect_on_energy_prod.html
Vorhersage des Energiepreises am Markt
Als Basis für diese Modelle stehen folgende Variablen zur Verfügung:
Zeitreihe der historischen Preise Europa (Deutschland).
Zeitreihe der historischen Preise Schweiz.
Wetterinformationen grob, historisch (Wind, Sonne)
Wetterinformationen grob, Prognose 1-7 Tage (Wind, Sonne)
ARIMA mit exogenen Variablen (ARIMAX):
Das ARIMA-Modell (AutoRegressive Integrated Moving Average) ist ein klassisches statistisches Verfahren zur Vorhersage zukünftiger Werte einer Zeitreihe, indem es vergangene Werte in deren Trends, Muster und zufällige Schwankungen zerlegt. Hier wird es um den externen Einflussfaktor Wetter (Wind, Sonne) erweitert, wodurch es sowohl zeitliche Muster als auch externe Variablen modellieren kann. ARIMAX bietet eine akzeptable Genauigkeit und ist einfach zu implementieren, kann jedoch keine komplexen Zusammenhänge abbilden.
Gradient Boosting:
Gradient Boosting-Modelle kombinieren mehrere einfache Prognosemodelle zu einem komplexen Gesamtmodell. Dies ermöglicht leistungsstarke Vorhersagen auch bei komplexen, nicht-linearen Zusammenhängen und gewährleistet gleichzeitig eine robuste Leistung. Börsenkurse sind oft gezeichnet durch Extremereignisse, welche statistisch nur schwer abzubilden sind. Die Robustheit von Gradient Boosing kann möglicherweise besser mit solchen Datenreihen umgehen und eignet sich daher für Prognosen der Marktpreise für Energie über einige Tage hinweg.
Beispiel
Beispiele für ähnliche Datenbanken finden sich im Solution Book von SwissDataApps: https://swissdataapps.github.io/solution_book/chapters/energy_price_st_forecast.html
Technologie
Dieses Modell wird entweder in einer Cloud-Umgebung oder als On-Premise-Lösung beim EVU implementiert. Es greift sowohl auf die gemeinsame Datenbank für Kontextdaten als auch auf die Smart-Meter-Daten zu. Die Berechnungen erfolgen on-demand, und die Ergebnisse können direkt in Dashboards angezeigt oder als CSV-Dateien exportiert werden. Da einige der Modelle erhebliche Rechenressourcen benötigen, empfiehlt sich eine Implementierung in einer Cloud-Umgebung (z.B. AWS Faregate).
Realisierungsansatz
Die Entwicklung statistischer und Machine-Learning-Modelle gehört zur Kernkompetenz von SwissDataApps. Das Unternehmen verfügt bereits über Erfahrungen mit Zeitreihenanalysen und der Arbeit mit Energiedaten. Da die Materie jedoch fachübergreifend und sehr komplex ist, wäre sowohl die Unterstützung durch das Fachwissen der EVU als auch durch die Wissenschaft von großem Nutzen. Die Implementierungszeit beträgt etwa 6 bis 9 Monate, je nach Modell. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Modelle zumindest teilweise spezifisch für die Situation eines EVU entwickelt und trainiert werden, was die Wahrscheinlichkeit für akkurate Ergebnisse erhöht, im Vergleich zu allgemein gültigen Modellen.
Nutzen
Dieses System ermöglicht es den EVU, fundierte, datenbasierte Entscheidungen für den Einkauf am Spotmarkt zu treffen und so finanzielle Unsicherheiten zu reduzieren. Komplexe Zusammenhänge werden schnell und vereinfacht dargestellt. Die Automatisierung ermöglicht kohärente Entscheidungen, unabhängig von äußeren Umständen wie z.B. dem Personalbestand am Wochenende.
5.5 Personalisierbares Energie-Dashboard
Idee & Ziel
Die Mitarbeiter der Energieversorger müssen im Alltag praktisch und effizient mit den oben vorgestellten Datenbanken und Modellen interagieren können. Zu diesem Zweck soll ein personalisierbares Energie-Dashboard entwickelt werden, das eine flexible Interaktion mit den Daten auf Knopfdruck ermöglicht. Solche Interaktionen könnten unter anderem Folgendes umfassen:
Einsehen der wichtigsten Statistiken und KPI.
Darstellung einfacher Datenanalysen (Charts) sowohl von Smart Meter-Daten als auch von Kontextdaten.
Generierung von Datenexporten aus Smart-Meter- und Kontextdaten in beliebigen Formaten und Aggregationen.
Bedienung des Langfristprognosemodells (Start, Resultate, Export).
Bedienung des Kurzfristprognosemodells (Start, Resultate, Export).
Da sich die Anforderungen dieser Komponenten von einem EVU zum anderen unterscheiden können, soll das Dashboard als modulares System entwickelt werden, sodass es mit geringem Aufwand an die spezifischen Bedürfnisse eines Unternehmens angepasst werden kann. Das Dashboard ist für den internen Gebrauch konzipiert. Im Laufe der Zeit kann es auch mit weiteren Funktionalitäten erweitert werden, etwa zur Unterstützung neuer datengetriebener Dienstleistungen.
Technologie
Das System wird in einer Cloud-Umgebung mit entsprechend gesichertem Zugang installiert. Jedes EVU hat eine eigene Implementierung, die speziell personalisiert ist. Das System greift sowohl auf die gemeinsame Kontextdatenbank als auch auf die ISE-Schnittstelle des jeweiligen EVU zu. Die Prognosemodelle laufen auf einer separaten Instanz und werden über API-Endpoints integriert (Microservices). Die WebApp wird mittels Shiny WebApp-Technologie entwickelt. Dieses Framework bietet eine flexible und effiziente Lösung mit überschaubarem Aufwand. Es eignet sich besonders gut für den Aufbau modularer Systeme, die schnell an spezifische Bedürfnisse angepasst werden können. Shiny Apps sind hervorragend geeignet, um als interne Dashboards die Ergebnisse komplexer Datenanalysen zu vermitteln, und werden beispielsweise in der Pharmaindustrie seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Als WebApps für Endkunden sind sie allerdings weniger ideal.
Beispiel
SwissDataApps hat bereits seit längerem ein Prototyp Dashboard für Energiedaten aufgebaut. Dieses basiert auf den öffentlich zugänglichen Verbrauchsdaten auf Netzebene 7 der Stadt Zürich, sowie auf den öffentlich zugänglichen Erzeugerdaten der ganzen Schweiz. Die App zeigt einerseits ein Dashboard mit verschiedenen KPI und eine geographische Verteilung zu den Erzeugern, andererseits eine Verbraucheranalyse mit oben beschriebenen Modellen. Die App ist frei zugänglich:
https://dev.odapes.app/app/smart-meter
Realisierungsansatz
SwissDataApps verfügt über langjährige Erfahrung in der Entwicklung, Implementierung und dem Betrieb solcher Dashboards. Insbesondere der Aufbau modularer Systeme gehört zur Kernkompetenz der Firma. Die EVU müssten lediglich ihre spezifischen Anforderungen kommunizieren. Die Entwicklung der Module würde etwa 6 Wochen in Anspruch nehmen, während die Personalisierung für ein spezifisches Unternehmen normalerweise in einer Woche abgeschlossen ist.
Nutzen
Der Nutzen eines solchen Dashboards ist sehr vielfältig. Einerseits bietet es eine einfache und zeitsparende Lösung für Abläufe, die die Prognosemodelle verwenden, wie beispielsweise den Energieeinkauf. Darüber hinaus kann das Management relevante Entwicklungen und KPIs auf einen Blick einsehen. Mitarbeiter, die für ihre Arbeit Daten benötigen, etwa in Excel, können mit dem Tool die gewünschten Daten per Knopfdruck exportieren. Das Dashboard bietet zudem die Möglichkeit, Daten aus verschiedenen Quellen (Wetter, Bedarf etc.) zu kombinieren und Analysen für neue Dienstleistungsmodelle zu erstellen.
5.6 Personalisiertes KI-Sprachmodel für Administration
Idee und Ziele
Ein Großteil der Kunden von Energieversorgungsunternehmen sind Privatkunden, die häufig standardisierte Supportanfragen stellen, etwa zur Meldung eines Umzugs oder zur Anforderung allgemeiner Informationen. Diese Routineaufgaben, die derzeit oft noch von Kundensupportmitarbeitern bearbeitet werden, lassen sich gut automatisieren. Hier kommen KI-getriebene Chatbots ins Spiel, die auf Large Language Models (LLMs) basieren und speziell auf die Produkte und Informationen des Unternehmens angepasst sind. Darüber hinaus könnten ähnliche Modelle auch zur Verwaltung internen Wissens und zur Erstellung von Marketing-Inhalten eingesetzt werden.
Ausbaumöglichkeiten
Sobald diese Chatbots und KI-Modelle, die auf spezifischem Firmenwissen basieren, erfolgreich implementiert sind, besteht die Möglichkeit, diese schrittweise zu erweitern. So könnte man in einem Baukastensystem auf einfacheren Modellen aufbauen und diese kontinuierlich weiterentwickeln. Beispielsweise könnte ein Grundmodell alle allgemeinen Informationen zur Energiebranche enthalten. Darauf aufbauend könnte ein EVU spezifisch auf sein Gebiet und seine Dienstleistungen zugeschnittenes Wissen integrieren, wodurch ein neuer, intelligenterer Bot entsteht. Im nächsten Schritt könnte dieses Modell direkt in das ISE-Kernsystem eingebunden werden, sodass es nicht nur statisches Wissen, sondern auch dynamische Daten einbeziehen kann. Damit wäre das Modell in der Lage, einem Kunden spezifische, intelligente Antworten zu geben. Beispielsweise könnte es basierend auf den Smart-Meter Daten eines eingeloggten Kunden Empfehlungen zu Stromeinsparmaßnahmen geben.
Technologie
Die zugrundeliegende Technologie basiert auf einem Large Language Model (LLM), ähnlich der Technologie von ChatGPT. Diese Modelle werden durch die sogenannte Retrieval-Augmented Generation (RAG) Technologie ergänzt. Dafür wird zunächst eine firmenspezifische Wissensdatenbank aufgebaut. Diese Wissensdatenbank inkludiert relevante interne Dokumente, E-Mails und Kataloge und speichert diese in einer sogenannten Vektordatenbank als numerische Repräsentation. Damit steht dieses Wissen in einer für das KI-Modell verständlichen Form zur Verfügung. Sobald nun ein User eine Anfrage (Prompt) schickt, durchsucht das RAG-Modell zuerst mittels semantischer Suche in diese Wissensdatenbank und holt alle relevanten Informationseinträge zum angefragten Thema heraus. Diese Informationen werden dann als Kontext an den Prompt angehängt, sodass das LLM mehr Informationen zur Beantwortung der Anfrage erhält. Damit können zielgerichtetere und qualitativ bessere Antworten generiert werden. Durch Finetuning wird das Modell schließlich auf das gewünschte Verhalten abgestimmt. Es ist zu erwähnen, dass diese Technologie in der Schweiz vor allem von größeren Firmen bereits erfolgreich eingesetzt wird.
Beispiel
SwissDataApps hat bereits seit Längerem LLM-Applikationen befasst. Hier finden sie eine Beispielapplikation, bei der ein LLM zur Generierung von personalisierten Lebensläufen verwendet wird:
https://swissdataapps.github.io/joblikator_campaign/
Realisierungsansatz
SwissDataApps verfügt über die Expertise, solche Projekte zusammen mit Umsetzungspartnern zu implementieren. Die Natur des Projektes erfordert allerdings eine aktive Rolle der EVU selbst, da die KI-Modelle in die Dokumente und Prozesse des Unternehmens eingebunden werden müssen. Der Prozess erfolgt in der Regel in vier Phasen:
Beratung, Exploration und Definitionsphase: In dieser Phase wird ermittelt, welche Prozesse und Umfänge das Modell abdecken soll.
Erarbeitung der Wissensdatenbank: Hierbei ist eine enge Zusammenarbeit mit dem EVU erforderlich.
Engineering: In dieser Phase erfolgt die eigentliche Entwicklung des Systems.
Einführungsphase: Diese Phase ist geprägt durch internes Testen und wiederholtes Finetuning, bis das Modell schliesslich live geschalten wird.
Ein solches Projekt wird in der Regel etwa 3-6 Monate in Anspruch nehmen.
Nutzen
Diese Technologie bietet mehrere wesentliche Vorteile:
Reduzierte Kosten im Kundensupport: Da viele Anfragen von Privat- und Kleinkunden standardisiert und wiederkehrend sind, können diese durch KI-basierte Bots effizient bearbeitet werden. Dies entlastet das Personal und verringert den Bedarf an zusätzlichen Fachkräften.
Effizienzsteigerung im internen Wissensmanagement: Das System kann intern genutzt werden, um den Wissensaustausch und die Zusammenarbeit zu verbessern. Eine zentralisierte Wissensdatenbank ermöglicht es den Mitarbeitern, schnell auf relevante Informationen zuzugreifen.
Adressierung des Fachkräftemangels: Durch die Automatisierung von Routineaufgaben wird der Bedarf an menschlichen Ressourcen reduziert, was insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels von Vorteil ist.
Skalierbare Lösung: Die Technologie kann schrittweise ausgebaut werden, um zusätzliche Anwendungsfälle zu unterstützen, wie z. B. die Integration von Echtzeitdaten zur intelligenten Auswertung von Energiefragen.
Imagegewinn: Der Einsatz modernster KI-Technologie könnte sich für EVU auch positiv auf ihr Image als innovativer, regionaler Partner auswirken.
5.7 Optimierte Netzplanung durch intelligente Ist-Soll-Analysen
Idee und Ziele
Mit dem rasanten Ausbau dezentraler Energiequellen müssen Netzbetreiber vermehrt über die Bewilligung von Anlagen oder den Netzausbau entscheiden. Solche Entscheide werden oft auf der Basis von Simulationen in bestehenden GIS- und Netzplanungssoftware getroffen. Die Entscheide sind jedoch nur so gut, wie die Simulationen selbst. Es ist zu erwarten, dass diese Simulationen mit zunehmender Varianz im Netz schwieriger werden. Dieser Netzplanungsprozess und Simulationsprozess könnte um die Komponente der nachträglichen Ist-Soll Analyse erweitert werden. Dazu werden die Simulationen mit den Smart-Meter Daten in intelligenten Data Science Algorithmen zusammengeführt. Diese Modelle würden in der Lage sein, vergangene Simulationen und Pläne in Echtzeit mit den tatsächlichen Entwicklungen zu vergleichen, um kontinuierlich zu lernen. Zukünftige Planungen und Anpassungen könnten dann auf diesen fundierten Erkenntnissen basieren, was zu präziseren und effizienteren Entscheidungen führen würde.
Ansatz Technologie
Die bestehenden Simulationen und GIS-Tools bleiben erhalten, werden jedoch in ein neues Modell exportiert oder integriert, das auf Smart Meter-Daten über ISE-Schnittstellen zugreift. Die Data-Science-Algorithmen nutzen elektrotechnisch informierte Modelle, bei denen elektrotechnisches Fachwissen mit probabilistischen Machine-Learning-Modellen kombiniert wird. Für zukünftige Planungen lernt ein Ensemble-Modell aus verschiedenen Simulationsszenarien, um die wahrscheinlichsten Entwicklungen zu identifizieren. Dieses Prinzip ähnelt komplexen, physikalischen Wettermodellen, bei denen mehrere Simulationen durchgeführt werden, um die Streubreite der möglichen Entwicklungen zu erfassen. Mittels Ensemble Machine-Learning werden dann die Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen Szenarien berechnet.
Realisierungsansatz
Diese Lösung ist noch nicht vollständig definiert und stellt eine sehr anspruchsvolle Herausforderung dar, die SwissDataApps nicht allein bewältigen kann. Eine Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Branchenvertretern ist erforderlich. Eine mögliche Umsetzung könnte im Rahmen eines Innosuisse-Projekts in Zusammenarbeit mit einer Fachhochschule erfolgen. Die verschiedenen Optionen müssen weiter analysiert und vertieft werden. Bestehende Tools könnten integriert und ergänzt werden.
Nutzen
Die Integration solcher Modelle würde die Sicherheit der Entscheidungen erheblich erhöhen, indem genauere Simulationen ermöglicht werden. Dadurch könnte der Netzausbau weniger überdimensioniert geplant werden, da die Sicherheitsmargen präziser kalkuliert würden. Dies ist besonders relevant, da die Volatilität im Netz steigt und Simulationen zunehmend komplexer werden. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzen wäre erheblich, da es sich um sehr große Investitionen und ein wichtiges gesellschaftliches Bedürfnis handelt.
6. Schlussfolgerung und Empfehlungen
6.1 Mehrwert von Data Science und KI
Die vorliegende Studie zeigt deutlich, dass Data Science und Künstliche Intelligenz erheblichen Mehrwert für Energieversorger in der Schweiz bieten können. Bereits heute verfügen diese Unternehmen über eine Vielzahl an Daten, insbesondere durch Smart-Meter und Netzbetriebsdaten. Diese Daten stellen eine wertvolle Ressource dar, die jedoch noch nicht voll ausgeschöpft wird. Gleichzeitig stehen die EVU vor einer Reihe neuer, zunehmend komplexer Herausforderungen. Dazu gehören die Dezentralisierung der Energieerzeugung, die steigende Volatilität in den Netzen und die Notwendigkeit, präzisere Vorhersagen zu treffen, sowie betriebswirtschaftlicher Druck. Ein zentraler Aspekt dieser Herausforderungen ist, dass es sich um Informationsprobleme handelt. Fehlende oder unzureichende Informationen führen zu suboptimalen Entscheidungen, die erhebliche Kosten nach sich ziehen können. Hier liegt das enorme Potenzial von Data Science und KI, die genau diese Informationslücken schließen können. Diese Technologien können sowohl zur Steigerung der administrativen Effizienz als auch zur Lösung technischer Probleme in der Energiewirtschaft beitragen, etwa durch die Optimierung von Prozessen oder die Verbesserung der Prognosen für den Einkauf.
6.2 Komplexe und fachübergreifende Materie
Die Lösung dieser Probleme erfordert jedoch mehr als nur die Implementierung technischer Tools. Probleme wie etwa die dezentrale Erzeugung sind neuartig, das heißt wichtiges Erfahrungswissen fehlt noch. Zudem ist die Materie technisch anspruchsvoll und erfordert spezialisiertes Wissen in verschiedenen Disziplinen wie Elektrotechnik, Energiewirtschaft und Data Science. Eine fachübergreifende Zusammenarbeit muss nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch die praktische Erfahrung der Energieversorger einbeziehen.
6.3 Kundenspezifische Lösungen und Co-Development
Standardlösungen wie SaaS-Software stoßen bei solchen Aufgaben rasch an ihre Grenzen, da sie eine Vielzahl von Gebieten und Bedingungen abbilden müssen. Wenn die Prognosemodelle jedoch auf ein spezifisches Versorgungsgebiet beschränkt werden, verringert sich die Variabilität und Komplexität der zugrunde liegenden Daten. Durch die Reduktion der Systembreite werden Unsicherheiten minimiert und die Zuverlässigkeit der Prognosen gesteigert, was eine grundlegende Gesetzmäßigkeit der Informationstheorie widerspiegelt. Dies verdeutlicht den Vorteil kundenspezifischer Modelle, die speziell auf die Anforderungen eines bestimmten Versorgungsgebiets zugeschnitten sind. Nebst der erhöhten Qualität bietet der Ansatz von personalisierten Entwicklungen auch den Vorteil, dass Unternehmen die Systeme an ihre bestehenden Prozesse und Präferenzen anpassen können, nicht umgekehrt. Ein Nachteil von kundenspezifischen Lösungen sind normalerweise die höheren Kosten. Dieser Nachteil kann jedoch im vorliegenden Fall deutlich abgefedert werden, indem man mit modularen Systemen und Co-Development arbeitet. Trotz Individualität gibt es bestimmte Komponenten, wie die Kontextdatenbank, welche von allen EVU gemeinsam genutzt werden können. Auch die Software und die Modelle selbst können in Modle aufgeteilt werden, sodass eine Effizientere „Customization” möglich wird. Auch der vorgeschlagene Ansatz des Co-Development geht in dieselbe Richtung. Anstatt dass jeder Akteur, inklusive SwissDataApps, teures Fachwissen redundant aufbaut, kann dies im Rahmen der Projekte geteilt werden. Hierbei empfiehlt es sich, das spezifische Wissen der EVU mit der technischen Expertise von SwissDataApps und der akademischen Forschung kombiniert wird, um gemeinsam Lösungen für die großen Herausforderungen der Energiestrategie 2050 zu erarbeiten.
6.4 Die Rolle von SwissDataApps
Laut eigenen Aussagen sind die meisten EVU zu klein, um eigene Data-Science-Teams zu unterhalten. SwissDataApps hat sich daher darauf spezialisiert, diese Dienstleistungen bereitzustellen und als Data-Science- und KI-Partner der Schweizer Energieversorger aufzutreten. SwissDataApps wird nicht in jedem Fall in der Lage sein, die gesamte Technologie selbst zu entwickeln - das macht bei der gegebenen Technologietiefe auch wenig Sinn - sondern greift nach Bedarf auf vertrauenswürdige Technologiepartner zurück.
Das junge Unternehmen ist stolz darauf, gemeinsam mit den Schlüsselakteuren der EVU einen Beitrag zur erfolgreichen Gestaltung der Energiezukunft der Schweiz zu leisten.
Anhang
A.1 Begriffe und Definitionen
Daten: Rohinformationen, die gesammelt und analysiert werden können, sowohl strukturiert als auch unstrukturiert.
Datenanalytik: systematische Auswertung von Daten, um Erkenntnisse zu gewinnen und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Data Science: Nutzung von statistischen Methoden und maschinellem Lernen zur Generierung verwertbarer Informationen aus großen Datensätzen.
Machine Learning: Methode der Künstlichen Intelligenz, bei der Algorithmen aus Daten lernen, um Vorhersagen oder Entscheidungen zu treffen.
Künstliche Intelligenz (KI): Fähigkeit von Maschinen, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern.
Big Data: Extrem große und komplexe Datensätze, die speziellen Technologien und Methoden zur Verarbeitung erfordern.
Datenverarbeitung: Prozess der Erfassung, Organisation und Analyse von Daten, um sie für Entscheidungen und Geschäftsprozesse nutzbar zu machen. Umfasst hier obgenannten Konzepte.
KMU: kleine und mittlere Unternehmen KMU Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von weniger als 50 Millionen CHF.
Enterprise Resource Planning (ERP): Integrierte Softwarelösung zur Unterstützung der Kernprozesse eines Unternehmens.
Outsourcing: Vergabe von Geschäftsprozessen oder Dienstleistungen an externe Dienstleister zur Kosteneffizienz oder Zugriff auf spezialisierte Expertise.
Large Language Models (LLM): KI-basierte Modelle, die auf großen Textdaten trainiert sind, um menschenähnliche Sprache zu verstehen und zu generieren.
Retrieval-Augmented Generation (RAG): Eine Technik zur Verbesserung von KI-Modellen durch den Zugriff auf externe Wissensdatenbanken.
Energieversorgungsunternehmen (EVU): die für die Bereitstellung und Verteilung von Strom, Gas und anderen Energieformen verantwortlich sind.
Software as a Service (SaaS): Ein Modell, bei dem Softwareanwendungen über das Internet bereitgestellt und auf Abonnementbasis genutzt werden.
References
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